…sag‘ mir wo die Nazis sind,
wo sind sie geblieben?…
Heutzutage scheint es in diesem unseren Lande „hipp“ und „woke“ zu sein, alles zu nazifizieren, was eine andere Meinung als die vorherrschende ausdrückt. Sogar manche „Linke“ sind jetzt plötzlich „Rechts“.
Als bräuchte man Nazis, um sich sofort davon klar distanzieren zu können.
Das nennt man dann wohl richtungsweisende Po-litik…
Schauspieler, Musiker, Journalisten, Kulturschaffende, Politiker, der Metzger oder Biohändler des Vertrauens, der Nachbar und Verwandte oder gar Freunde sind plötzlich zu Braunhemden mutiert, die scheinbar alle ihren demokratischen Verstand verloren haben, „der Russe“ sowieso…
Sogar die Schimpfworte sind der Lage angepasst („Coronaleugner“ = Schwimmbadgläubiger, „Querdenker“ = verschwörungstheoretisch-schwurbelnder Demokratiefeind, „Putin-Versteher“ = Mordlegitimierer usw.) und es wird wieder fleißig denunziert, stigmatisiert und ausgegrenzt.
Interessanterweise leuchten zurzeit – quasi im internationalen Vergleich – zwei (demokratische) Länder hierbei besonders beispielhaft heraus.
Und die sind auch noch deutschsprachig.
So ein Zufall…
Faschismus und Nationalsozialismus (so viel Chuzpe muss man erst mal haben, die beiden Worte national und sozial miteinander zu verbinden, und das dann so unheilbringend auszuagieren…) sind beileibe keine österreichisch-deutsche Erfindungen, aber wurden hier zur Perfektion gebracht.
Fast alle waren in Deutschland (Österreich war ja nun auch „Deutsch“) stramm auf Linie, sodass ich herzhaft lachen musste, als Walter Moers sein Kleines Arschloch im Comic Jahrzehnte später während einer vollbesetzten Schultheateraufführung mit Hilfe der Protagonisten Schilder hochhalten ließ, auf denen stand:
„Ich bin ein Nazi-Enkel!“, „Ich auch!“
Ich liebe diesen Humor…
Oder, wie es ein Kumpel mal ausdrückte:
„Jaja, bis Fünfundvierzig 98% in der Partei und 2% im Widerstand, und danach genau anders rum. Jaja…“
Es ist mir heute immer noch ein Rätsel, wo die ganzen Nazis von damals eigentlich alle hin sein sollen.
Die meisten waren ab spätestens dem 08. Mai 1945 irgendwie „moralisch unauffindbar“ (oder in Südamerika).
Die wenigen, die es erwischt hatte und denen man in Nürnberg die Prozesse gemacht hatte, waren zwar medial präsent, präsentierten aber nur sich selbst („Ich habe nur Befehle befolgt.“) und nicht die ganzen Mitläufer und Nutznießer.
Gut. Man merkt es ja schon an dieser „Corona-Zeit“, dass es nicht immer ganz so leicht ist Haltung zu wahren. Die Spritze ist wohl nun – satirisch betrachtet – das neue Parteibuch, und Mitglied zu sein bringt nun mal Privilegien mit sich.
Natürliche Rechte zum Beispiel, wie sie jedes demokratische Land formuliert und zu garantieren hat.
Hat irgendwie irgendwas mit irgendwelchen unveräußerlichen Menschenrechten zu tun.
Russen sind halt auch nur Menschen, auch wenn sie ungeimpft sind.
Das nur so am Rande.
Jetzt denken wir mal zum Spaß scharf nach und bemerken dabei zwangsläufig, dass es fast ausschließlich „entnazifizierte Nazis“ gewesen sein müssen („Ich schwöre dem Nationalsozialismus ab!“), die sich auch nach Kriegsende fortgepflanzt haben.
Und wie wir wissen, pflanzen sich auch damit fast automatisch „die Sünden der Väter“ (un)heimlich mit fort, wenn sie nicht aufgearbeitet werden.
Ich zum Beispiel bin Ende der 60iger als jüngster geboren und wurde also, wenn man so will, von Nazi-Kindern und (Ex)Nazis selbst erzogen (meine Einschulung war 30 Jahre nach Kriegsende, und ich hatte einige alte Lehrer) und habe das erstaunlich gut verkraftet.
Und meine Generation wiederum hat dann sozusagen die Nazi-Urenkel gezeugt und erzogen.
Und wie man an den aktuellen Geschehnissen sehr gut erkennen kann, ist erstaunlich viel von diesem realfaschistischen Gedankengut hängen geblieben im „völkischen Nimbus“ und wurde nicht aufgearbeitet, sonst wäre so ein absurder Wahnsinn wie heute überhaupt gar nicht möglich (ich empfehle das Buch bzw. den Film „Die Welle“. Gerade in diesen Zeiten ein sehr passender Titel).
Und wieder ist die Mehrheit blind und folgt einer (zumindest im längerwährenden Augenblick) faschistoiden Strömung, die man heute Mainstream nennt. Meist sogar, ohne es selbst zu bemerken.
Eine Strömung, die einen nur mitreißen kann, wenn man keinen festen Stand hat in der demokratischen Wesensstruktur und diese als Macht der Mehrheit fehlinterpretiert (quasi „die Mehrheit hat immer recht“), unabhängig davon, wie sich diese Mehrheitsmeinung gebildet hat (so etwas nennt man manchmal auch Propaganda).
Demokratie ist nämlich viel mehr, was man wagen kann und überhaupt ist sie in erster Linie die Auswahl der Besten.
Ich wähle die Besten, um mich bestmöglichst interessensvertreten zu erleben.
Wem sonst als dem/der Besten im jeweiligen Fachgebiet traue ich eine sinnvoll abgewägte, freie, unabhängige und wohlinformierte Entscheidung zu, die dann auch mich (als Mensch in diesem Staat) betrifft?
Genau das meine ich.
Sie lassen sich ja auch nicht von einem Bankkaufmann am offenen Herzen operieren oder in Gesundheitsfragen beraten…
Hinzu kommt, dass die Deutschen seit zwei Weltkriegen, aber allerspätestens seit Mai 1945 (die Österreicher haben sich ja aus der „Kollektivschuld“ mit viel „Wiener Schmäh“ herausgedacht) ein kollektives schlechtes Gewissen haben.
Tief verborgen, aber stets präsent, wenn die Aufarbeitung fehlt.
Die einen wehren sich indem sie negieren, die anderen werden zu Sklaven der (politischen) Korrektheit.
Reflektier:innen kann da sehr, sehr nützlich sein.
Und passend dazu sang Marlene Dietrich in dem „blumigen“ Lied, welches ich schon zu Beginn leicht angepasst zitierte, auch:
„Wann wird man je verstehn, wann wird man je verstehn?“